1.D RECHTLICHE RAHMENBEDINGUNGEN
WARUM IST DIES WICHTIG?
Ein Programm für Gemeinschafts-Sponsoring kann nur dann erfolgreich sein, wenn mobilisierte Gemeinschaften auch die gesetzlichen Möglichkeiten erhalten zu agieren. Es müssen Gesetze und Vorschriften erlassen und Richtlinien und Verfahren geschaffen werden, die es Gemeinschaften ermöglichen, bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen direkt aktiv zu werden.
Erwägen politische Entscheidungsträger, in ihrem Land ein Programm für Gemeinschafts-Sponsoring zu entwickeln, sollten sie abwägen, welcher rechtliche Rahmen notwendig ist, damit Gemeinschaften bei der Ansiedlung von Flüchtlingen aktiv mitwirken können.
KANADAS RECHTLICHER KONTEXT
Internationale Verpflichtungen
Als Mitgliedsstaat des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) von 1951 hat sich Kanada verpflichtet, mit internationalen Partnern bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen zusammenzuarbeiten. Diese Verpflichtung basiert auf der Anerkennung, dass der Schutz von Flüchtlingen eine gemeinsame Aufgabe ist und dass durch Ansiedlungsprogramme einzelne Länder (z. B. direkte Nachbarstaaten der Länder, aus denen Flüchtlinge fliehen) entlastet werden. Kanada hat die im Rahmen der Genfer Flüchtlingskonvention aufgestellten gesetzlichen Verpflichtungen verbindlich in seinem innerstaatlichen Recht verankert.
Föderalismus in Kanada
Nach der kanadischen Verfassung ist die Legislative in zwei Ebenen aufgeteilt: die Bundesebene (für Angelegenheiten von nationalem Interesse) und die Provinzebene (für Angelegenheiten von lokalem Interesse). Laut Artikel 52 der kanadischen Verfassung besteht zwischen der Provinzregierung und der Bundesregierung konkurrierende Zuständigkeit für Einwanderungsangelegenheiten, obgleich in der Praxis die Hauptverantwortung hinsichtlich Auswahl und Bearbeitung von Flüchtlingen in Bezug auf Neuansiedlung in Kanada bei der Bundesregierung liegt. Das Einreiserecht für Kanada sowie der Rechtsstatus und die Rechte von Flüchtlingen nach ihrer Einreise sind auf Bundesebene, wie z. B. im Einwanderungs- und Flüchtlingsschutzgesetz (Immigration and Refugee Protection Act – IRPA) und im Staatsbürgerschaftsgesetz (Citizenship Act ) geregelt. Kanada hat sich dazu entschlossen, allen Flüchtlingen, die sich im Land neuansiedeln dürfen, dauerhafte Lösungen anzubieten, indem sie die Daueraufenthaltsgenehmigung erhalten. Viele Aspekte in der Neuansiedlung von Flüchtlingen (z. B. Zugang zu Leistungen wie Bildungs- und Gesundheitswesen), fallen in den Zuständigkeitsbereich der Provinz- und Territorialregierungen Kanadas. Spezielle Verfassungsbestimmungen gelten für die Provinz Quebec, die für die Auswahl von Flüchtlingen zur Ansiedlung in Quebec auf Empfehlungen der kanadischen Bundesregierung hin zuständig ist.
Innerstaatliches Recht
Kanada hat seine Verpflichtung hinsichtlich der Aufgabenteilung bei der Neuansiedlung von Flüchtlingen gemäß Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Einwanderungs- und Flüchtlingsschutzgesetz (IRPA) und in den Verordnungen über Einwanderung und Flüchtlingsschutz (Immigration and Refugee Protection Regulations – (IRPR). Im Rahmen von IRPA und IRPR werden auch andere Bereiche der Einwanderung nach Kanada geregelt, wie etwa das Familien-Sponsoring und diverse Kategorien der wirtschaftlichen Einwanderung. Die Verpflichtung zur Neuansiedlung wird ausdrücklich im IRPA festgelegt. Im Gesetz heißt es, dass eines der Ziele der Gesetzgebung es ist, „Kanadas internationale Verpflichtungen in Bezug auf Flüchtlinge zu erfüllen und Kanadas Versprechen hinsichtlich internationaler Bemühungen, Menschen, die neuangesiedelt werden müssen, zu helfen, einzuhalten“ (siehe Art. 3 Absatz 2b). Ein wichtiger Aspekt hierbei ist, dass im Gesetz ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass das IRPA in erster Linie darauf abzielt, „Leben zu retten und Vertriebenen und Verfolgten Schutz zu gewähren“ (siehe Art. 3 Absatz 2b) Das IRPA ist Teil eines Netzes innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die in ihrer Gesamtheit wesentliche kanadische Werte verkörpern. Dazu gehören auch die kanadische Verfassung, die kanadische Charta der Rechte und Freiheiten (Canadian Charter of Rights and Freedoms), das kanadische Staatsbürgerschaftsgesetz (Citizenship Act), das kanadische Multikulturalismusgesetz (Multiculturalism Act), das kanadische Menschenrechtsgesetz (Human Rights Act), die Providenzkodizes über Menschenrechte (Human Rights Codes) oder das Gesetz über die Gleichstellung in der Beschäftigung (Employment Equity Act), um nur einige zu nennen.
KANADISCHE GESETZE ZUM PRIVAT-SPONSORING VON FLÜCHTLINGEN
Wer kann gesponsert werden?
Nach kanadischem Gesetz müssen Flüchtlinge, um sich zur Neuansiedlung in Kanada zu qualifizieren, entweder durch Privatsponsoren oder durch eine entsprechende Organisation wie dem UNHCR empfohlen werden (IRPR Abschnitte 139(1)(f), 140.3). Es ergeben sich drei Kernkategorien von Flüchtlingen, die für die Neuansiedlung in Kanada förderfähig sind:
- Government-Assisted Refugees (GAR): Flüchtlinge, die vom UNHCR oder einer anderen entsprechenden Organisation zur Neuansiedlung in Kanada empfohlen werden. Flüchtlinge, die im Rahmen dieses Programms neuangesiedelt werden, werden während ihrer ersten zwölf Monate in Kanada vollständig von der kanadischen Regierung unterstützt.
- Privately Sponsored Refugees (PSR): Flüchtlinge, die von privaten Sponsoren für die Neuansiedlung in Kanada empfohlen werden
– private Sponsoren sind kanadische Bürger oder Menschen mit ständigem Wohnsitz in Kanada. Im Rahmen dieses Programms erhalten die Flüchtlinge von privaten Sponsoren finanzielle Unterstützung und Hilfe bei ihrer Ansiedlung. Diese Unterstützung erfolgt für die ersten zwölf Monate der Flüchtlinge in Kanada. - Visa Office-Referred Refugees (VOR): Flüchtlinge, die vom UNHCR empfohlen und kanadischen Privatsponsoren zugewiesen werden. Die Kosten für die Neuansiedlung sowie die damit verbundenen Pflichten werden vom kanadischen Staat und den privaten Sponsoren geteilt (siehe A.4(v)).. Beim VOR- Sponsoring wird zwischen zwei Formen unterschieden:
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- Visa Office-Referred (VOR) – Bei dieser Form des Sponsorings wird die gesamte finanzielle Unterstützung und die sonstige für die Ansiedlung erforderliche Hilfe für den Förderzeitraum ausschließlich von den privaten Sponsoren geleistet.
- Blended Visa Office-Referred (BVOR) – Bei dieser Form des Sponsorings werden die finanziellen Kosten des Sponsorings zwischen dem kanadischen Staat und privaten Sponsoren geteilt, die übrigen zur Ansiedlung notwendigen Unterstützungsleistungen werden aber vollumfänglich von den privaten Sponsoren übernommen.
- Joint Assistance Sponsorships (JAS) – Ein Programm für staatlich unterstützte Flüchtlinge mit besonderen Bedürfnissen (z. B. Opfer traumatischer Erlebnisse oder von Folterung, Flüchtlinge mit besonderen Krankheiten, besonders große Familien), wobei der kanadische Staat während des Förderzeitraums (in der Regel zwei Jahre) vollständige finanzielle Unterstützung leistet und die Privatsponsoren für die Hilfe bei der Ansiedlung zuständig sind.
Im kanadischen Recht wird auch präzisiert, welche Personen als „Flüchtlinge“ zur Neuansiedlung in Kanada gelten. Dies sind Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention und Personen in ähnlichen Umständen, „unter Berücksichtigung von Kanadas humanitärer Tradition im Hinblick auf Vertriebene und Verfolgte“ (siehe IRPA Art. 12 Abs. 3). Kanada schuf eine Kategorie Country of Asylum Class, in der näher definiert wird, wer als „Person in ähnlichen Umständen“ gilt. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter 2.A.1(iii).
Wer kann als Sponsor agieren?
Im kanadischen Recht sind auch die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Qualifikation als Sponsor festgelegt. Das IRPA sieht vor, dass “ein kanadischer Bürger oder eine Person mit ständigem Wohnsitz in Kanada bzw. eine Gruppe kanadischer Bürger oder von Personen mit ständigem Wohnsitz in Kanada, ein nach kanadischem Recht bzw. in einer Provinz eingetragenes Unternehmen oder eine nicht als Unternehmen eingetragene Organisation bzw. Vereinigung nach kanadischem Bundes- oder Provinzrecht – oder eine Kombination davon – eine Person mit ausländischer Staatsangehörigkeit bestimmungsgemäß sponsern kann.” (IRPA Art. 13).
Das Gesetz sieht weiterhin vor, dass eine zur Förderung geeignete Sponsorengruppe aus mindestens fünf kanadischen Bürgern oder Personen mit ständigem Wohnsitz in Kanada bestehen muss, wobei jede dieser Personen über 18 Jahre alt sein muss und diese Gruppe zum Zweck des Sponsorings eines Flüchtlings agiert (IRPR Verordnung 138). Weitere Informationen zu den verschiedenen Arten von Sponsorengruppen erhalten Sie unter 2.B.3(ii).